Die Neugasse: Versteckte Ecken und grossstädtisches Flair

Die Neugasse, die erstmals im 16. Jahrhundert in historischen Dokumenten auftaucht, hat über die Jahrhunderte so manchen Wandel durchlebt. Einst diente sie als Durchgangsstrasse für Handwerker und Händler, die ihre Waren in die Stadt brachten. Heute ist dieser historische Geist immer noch spürbar. Beim Betreten fällt der Blick auf die Fassaden, die von einer Zeit erzählen, als St. Gallen eine bedeutende Textilhochburg war. Viele geschichtsträchtige Gebäude – wie etwa das Amtshaus, das heute als städtisches Verwaltungsgebäude dient und an der Ecke zur Marktgasse steht – haben Jahrhunderte überdauert. Doch die Neugasse hat es geschafft, sich immer wieder neu zu erfinden – wie der Name es verspricht.

Von Begegnungen und Genussmomenten

In der Neugasse kann man wunderbar in den Tag starten. Die Familienbäckerei Schwyter ist ein beliebter Treffpunkt für Gäste, die an ihrem Kaffee nippen und das bunte Treiben beobachten. Hier trifft man auf junge Familien, die schon früh in der Stadt unterwegs sind und ihr Gipfeli geniessen, bevor sie an der Mündung zwischen Neugasse und Marktgasse im Markttreiben (immer freitags und samstags über das Sommerhalbjahr) verschwinden.

«In der Neugasse kann man wunderbar in den Tag starten.»

Verborgene Schätze entdecken

Während man die Neugasse entlangschlendert, eröffnen sich immer wieder kleine Durchgänge und versteckte Ecken, die zum Entdecken einladen. Da ist zum Beispiel die Hinterlauben, eine auf den ersten Blick unscheinbare Gasse. Sie verbindet die Neugasse mit dem Bärenplatz und damit mit der Multergasse, der pulsierendsten Gasse der Stadt. Die Hinterlauben erzählt eine bewegte Geschichte. Ursprünglich wurde sie im 13. Jahrhundert von jüdischen Familien bewohnt. Nach einem Gewaltakt im Jahr 1349, bei dem viele Jüdinnen und Juden ums Leben kamen, wandelte sich das Viertel. Später, im 16. Jahrhundert, wurde die Hinterlauben zu einem Nobel-Stadtteil. Angesehene St. Galler Familien, wie die des Reformators Vadian, liessen hier ihre eindrucksvollen Stadthäuser errichten. Heute beeindruckt die Gasse mit spätgotischen Fassaden, kleinen Boutiquen voller Handwerkskunst und einzigartigen Bars und Restaurants.

Geschäfte mit Geschichte

Die Neugasse ist mehr als eine blosse Shoppingstrasse. Von liebevoll geführten Boutiquen über kleine Cafés bis hin zu Concept Stores, in denen Nachhaltigkeit gross geschrieben wird. Wer auf der Suche nach Naturkosmetik und duftenden Ölen ist, wird bei Farfalla fündig – ein liebevoll eingerichteter Laden, der die Sinne belebt. Fussballfans kommen im FCSG-Fanshop voll auf ihre Kosten, denn hier schlägt das Herz für den Verein, egal ob bei Sieg oder Niederlage. Wer nach einer zeitlosen Erinnerung sucht, sollte beim Uhren- und Schmuckgeschäft Labhart vorbeischauen – ein echter Klassiker seit 1886 und das älteste seiner Art in St.Gallen. Das Globus Warenhaus strahlt internationales Grossstadtflair aus und hat auf der Seite Neugasse sogar einen besonderen Seiteneingang, der direkt in die verführerische Welt der kulinarischen Spezialitäten führt.

Ergänzend sorgen kleine Handwerksbetriebe, Boutiquen und Ateliers für Abwechslung. Einige Manufakturen sind hier bereits seit über hundert Jahren zuhause. Da ist beispielsweise das älteste Geigenbauatelier der Schweiz, Sprenger Geigenbau, das 1917 gegründet wurde. Die Samen Höhener AG hat seit 1948 ihr einst überschaubares Sortiment an Gemüse-, Blumen-, und Staudensamen zu einem florierenden Unternehmen ausgebaut und ist heute das einzige Geschäft seiner Art in der Innenstadt.

Die Neugasse hat ihren eigenen Rhythmus mit einem interessanten Mix aus Geschichte und Moderne, Begegnung und Vielfalt.

Das rechte Bild von 1944 zeigt das Restaurant Weinburg und die Kunsthandlung Raubach & Widmer im Mittelpunkt der Gasse. Im Hintergrund ragt die Hinterlauben mit der markanten Hexenburg auf. Der heute sichtbare Brunnen kam erst in späteren Jahren dazu.