Kurztrip in den Sommer

Minustemperaturen und ein allzu grauer Winterhimmel wecken zurzeit Sehnsucht nach sommerlicher Wärme und Farbe. Genau das bietet der Botanische Garten – hier und jetzt im winterlichen St.Gallen, dazu mit grosszügigen Öffnungszeiten und kostenlos.

In die Pflanzenwelt eintauchen

Ein Besuch im Botanischen Garten lohnt sich in den kalten Wintertagen.

Im Winter sieht der Aussenbereich des Botanischen Gartens auf den ersten Blick aus wie ein gewöhnlicher, grosser Garten. Unter der weissen Schneedecke ragen nur vereinzelt Ästchen und Halme hervor, die Sträucher sind kahl. Nichts von der Farbenpracht der wärmeren Monate ist übriggeblieben. Unter dem Schnee verbergen sich jedoch botanische Schätze, die im Frühling wieder zum Leben erwachen werden. Der Schnee hat eine wichtige Funktion: Er isoliert. Die Pflanzen sind durch die Schneedecke nicht direkt der Kälte ausgesetzt und so besser geschützt. «Das Schlimmste im Winter ist, wenn es über längere Zeit warm war, deshalb kein Schnee liegt und dann ein plötzlicher Kälteeinbruch kommt» sagt Ivo Moser, Co-Leiter des Botanischen Gartens. Er kennt den Garten wie seine Hosentasche und weiss, weshalb sich ein Besuch auch in der Nebensaison lohnt.

«Das Schlimmste für die Pflanzen im Winter ist, wenn es über längere Zeit warm war, deshalb kein Schnee liegt und dann ein plötzlicher Kälteeinbruch kommt.»

Ivo Moser, Co-Leiter des Botanischen Gartens

Zum Beispiel gibt es die Chinesische Zaubernuss, ein Gehölz, das man wegen seines Zierwerts im 19. Jahrhundert von China zu uns holte. Trotz Schnee und Kälte präsentiert sie sich in Vollblüte. Ihre leuchtend gelben Blütenbüschel setzen wohltuende Farbakzente in der winterlichen Farblosigkeit. Eyecatcher unter den Krautpflanzen ist zurzeit die Christrose. Wie ihr Name verrät, beginnt ihre Blütezeit um Weihnachten herum. Die unter anderem im Südtessin heimische Pflanze lockt dort mit weissen Kronblättern und reichlich Nektar die wenigen Bestäuber an, die in der kalten Jahreszeit vorhanden sind.

Ganz anders sieht es aus, wenn man sich ins Innere des Tropenhauses begibt. Warme, feuchte Luft und der Geruch von Erde strömen entgegen. Grüne, saftige Blätter in allen Grössen und Formen, Blüten in rot, gelb und violett. Die bunten Blüten sehen nicht nur schön aus, sondern haben einen wichtigen Zweck: Sie locken die richtigen Bestäuber für die Pflanze an. Pflanzen wie der Üppige Goldkelch, welche von Fledermäusen bestäubt werden, haben tendenziell hellere Blüten. So finden die nachtaktiven Fledermäuse die Blüten auch bei schwachem Licht. Pflanzen, welche von Vögeln bestäubt werden, setzen dagegen auf Rottöne, welche sich gut vom Grün des Hintergrunds abheben. Sie verzichten aber auf Duft, weil Vögel sich vor allem optisch orientieren und nur über einen schwachen Geruchsinn verfügen.

Inmitten der Blätter und Blüten kann man man auch Nutzpflanzen wie Bananen bestaunen.

Auch tropische Nutzpflanzen wie Papaya, Banane, Kaffee und sogar Kakao gibt es zu bestaunen. Räucherpflanzen, wie Weihrauch und Myrrhe zählen ebenso dazu, wie die Gewürzpflanze Vanille – eine Orchideenart aus den Tropen der Neuen Welt. Damit sich die tropischen und subtropischen Gewächse bei uns wohl fühlen, wird das Tropenhaus im Winter auf 18 bis 25 Grad geheizt. Sprühnebel von der Decke sorgen für die nötige hohe Luftfeuchtigkeit.

Diese Sukkulenten-Art wird übrigens auch «Stiefmuttersitz» genannt.
Diese Sukkulenten-Art wird übrigens auch «Stiefmuttersitz» genannt.

Die Pflanzen im hinteren Teil des Tropenhauses stammen aus äquatornahen tropischen Regenwäldern. Sie sind besonders wärme- und feuchtigkeitsbedürftig. Sind diese Bedingungen erfüllt, können sie ganzjährig wachsen, blühen und fruchten. Um im wüchsigen Regenwald genug Licht zu erhalten, wachsen viele tropische Gehölze schnell in die Höhe. Darunter leidet oft die Standfestigkeit. Der Zwerg-Schraubenbaum hat eine eigene Lösung für dieses Problem gefunden. Er treibt aus dem Kronenbereich stabartige Stelzwurzeln, die nach unten wachsen. Dort angelangt, verankern sich diese im Boden und sorgen so für zusätzliche Standfestigkeit. Auch andere Strategien führen zum gleichen Ziel. Viele tropische Bromeliengewächse und Orchideen verzichten ganz auf Wurzeln im Erdreich und wachsen als Aufsitzerpflanzen in luftigen, lichtdurchfluteten Höhen auf anderen Pflanzen. Der Taro, ein tropisches Aronstabgewächs, versucht gar nicht erst, ans Licht zu kommen. Stattdessen bildet er riesige Blätter, mit denen er am schattigen Boden noch genügend Licht erhält.

Ein Besuch des Tropenhauses lohnt sich jederzeit und besonders im Winter. Ein solcher Rundgang ist kein vollwertiger Ersatz für eine Ferienreise in die Tropen, aber ein taugliches Mittel gegen Fernweh und Winterblues alleweil.